Nicht-hermitesche Photonik

Lichtausbreitung in einem PT-symmetrischen Gitter, welche den abrupten Übergang von ballistischem zu diffusem Transport zeigt.
Implementierung eines PT-symmetrischen Gitters mit undulierenden Wellenleitern.

Paritäts-Zeit (PT)-symmetrische Quantenmechanik ist eine Erweiterung der konventionellen hermiteschen Quantenmechanik in die komplexe Ebene. Dabei steht PT-Symmetrie nicht etwa in Konflikt mit der konventionellen Quantentheorie, sondern stellt eine komplexe Verallgemeinerung dar. Ursprünglich wurde sie nur als interessante theoretische Entdeckung angesehen, die wenige bis keine praktischen Anwendungsmöglichkeiten bietet. Im Kontext der Photonik stellt PT-Symmetrie jedoch ein radikal neues Konzept zur Kontrolle und Steuerung der Lichtausbreitung dar, und hat sich so zum Gegenstand reger theoretischer und experimenteller Forschungstätigkeit entwickelt.

Unsere Arbeitsgruppe trug zu diesem aufregenden Forschungsgebiet eine Reihe neuer Erkenntnisse bei. Zunächst entwickelten wir die umfassende Theorie der sogenannten passiven PT-Symmetrie  [J. Opt. 6(16), 065501 (2014)], bei der kein externes Pumpen der Wellenleiter notwendig ist. Zusammen mit unserer Expertise in lasergeschriebenen Wellenleitersystemen erlauben uns diese Erkenntnisse, vollständig passive Strukturen zu entwickeln, die dennoch alle wesentlichen Eigenschaften PT-symmetrischer Systeme besitzen. So war es uns möglich, einen besonderen Effekt PT-symmetrischer Systeme zu demonstrieren: Den abrupten Übergang von ballistischem zu diffusem Transport sich ausbreitender Wellenpakete nach einer charakteristischen Evolutionszeit [Nature Commun. 4, 2533 (2013)].

Außerdem demonstrierten wir, dass in zweidimensionalen PT-symmetrischen Graphengittern eine optische Variante von Tachyonen generiert werden kann [Phys. Rev. A 84, 021806(R) (2011)]. Zwei weitere Arbeiten waren die experimentelle Analyse des Einflusses von komplexen Übergängen zwischen benachbarten Wellenleitern in nicht-hermiteschen Strukturen [Phys. Rev. Lett. 113, 123903 (2014)] sowie der Realisierung PT-symmetrischer flacher Dispersionsbänder  [Phys. Rev. Lett. 123, 183601 (2019)].

Mit der Analyse von PT-symmetrischen optischen Quantum Random Walks [New J. Phys. 15, 033008 (2013)] und der Beobachtung von nicht-hermitescher Quanteninterferenz [Nature Photon. 13, 883 (2019)] schlossen wir den Kreis und brachten PT-Symmetrie erstmals im Gebiet der Quantentheorie zum Einsatz.

Aktuell arbeiten wir an der Verknüpfung von PT-Symmetrie und topologischer Photonik. Zwei Meilensteine sind dabei die erste Messung einer topologischen Invariante aus dem Substratinneren [Phys. Rev. Lett. 113, 123903 (2014)], die erste Realisierung eines zweidimensionalen topologischen PT-symmetrischen Systems  [Nature Commun. 10, 435 (2019)], sowie die erste Beobachtung eines topologischen PT-symmetrischen Grenzflächenzustandes  [Nature Mater. 16, 433 (2017)]. Erst kürzlich demonstrierten wir einen topologischen Tunnel für Licht [Science 368, 311 (2020)].

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